Hochzeit in Zeiten von Corona
Vor einem Jahr habe ich noch nicht einmal die Bedeutung des Wortes gekannt und in dieser Woche ist es die Vokabel, die ich am häufigsten benutzt habe: „Inzidenz“. Und während ich in der Wochenmitte noch wie das Kaninchen vor der Schlange saß und mit Angst auf die 35er-Inzidenz geguckt habe, wäre ich heute froh, wenn wir eine so gute Marke erreichen würden. Es ist eben alles eine Frage der Perspektive.
Am Dienstagabend haben wir im Kreis der Fraktionsspitzen ein paar Themen zur neuen Legislaturperiode besprochen. Mit dem Beginn einer Legislaturperiode sind viele Dinge zu regeln und müssen zwischen den Fraktionen abgestimmt werden. Die Beschlüsse, die gerade in der konstituierenden Sitzung gefasst werden müssen, sind nur möglich, wenn man zuvor die Marschrichtung abgestimmt hat. Der Vorteil einer solchen Fraktionssitzung ist, dass man vorbei an förmlichen Tagesordnungspunkten offen und undiplomatisch über die Punkte reden kann.
Nachdem ich pünktlich zur Tagesschau zuhause war erreichte mich dann allerdings noch die Änderung der Coronaschutzverordnung, die nach Aussagen des Ministerpräsidenten vom Sonntag ja erst am 1. November erfolgen sollte. Also bin ich wieder zurück ins Büro und habe mich mit der neuen Verordnung befasst. Nur am Rande sei erwähnt, dass es nicht meine Aufgabe ist, irgendwelche Aussagen von irgendwelchen Virologen aus irgendeiner Ecke der Welt zu bewerten und es ist auch völlig irrelevant, welche Meinung ich dazu habe. Ich muss nicht die Zuverlässigkeit von PCR-Tests bewerten und ich bin es auch müde, immer wieder die Frage nach Krankheitsverläufen zu beantworten. Und nein, auch die Aussage, dass es nur deshalb mehr positive Ergebnisse gibt, weil mehr getestet werde, ist falsch. Außerdem bin ich dafür der falsche Ansprechpartner. Meine Energie muss ich im Moment wirklich in andere Dinge stecken. Aber eine ganz klare Meinung habe ich: die Welt geht nicht unter, weil wir mal 20 Minuten am Tag eine Maske tragen müssen und die Welt geht auch nicht unter, wenn wir unseren Egoismus mal ein wenig in den Hintergrund drängen sollen. Ja, Partys sind toll, aber man kann auch mal ohne auskommen. Fragt mal einen Unternehmer, wie der sich fühlt, wenn er zusehen muss, wie seine Existenz durch rücksichtsloses Verhalten der selbstverliebten und Ich-bezogenen Schlauberger gefährdet wird.
Großen Respekt übrigens an den Jugendlichen, der mich in dieser Woche zweimal im Büro besucht hat, um für seine Sache zu werben. So viel Selbstbewusstsein haben nicht viele. Es geht um die Realisierung eines Bikeparks in Schieder. Bei diesem Thema ist einiges zu beachten. So braucht man ein geeignetes Grundstück und auch Baurecht. Auch muss abgewogen werden, ob hier viel Geld für eine Sportart investiert werden soll, die vielleicht nur ein Modeerscheinung ist und auch nur eine kleine Zielgruppe erreicht. Unabhängig davon zeigt mir der Wunsch allerdings, dass wir Beratungsbedarf haben. Das Thema werde ich also in die Politik tragen und dann werden wir mal sehen, wie die Diskussionen verlaufen werden.
In dieser Woche habe ich sehr konstruktive Gespräche mit Vertretern von Kirchen und Glaubensgemeinschaften geführt. Natürlich geht es um die Organisation von Gottesdiensten, die nach dem Willen der Landesregierung ausdrücklich in Eigenverantwortung erfolgen soll. Die Gespräche verliefen sehr gut und die ausgeklügelten Hygienekonzepte sind durchdacht. Insofern habe ich mich über die Berichterstattung und auch über einige Äußerungen, die in der Sache und im Ton unangemessen waren, doch sehr geärgert.
Wie fühlt man sich eigentlich als Brautpaar, wenn man seit Monaten eine Hochzeit plant und die besagte „Inzidenz“ im letzten Moment noch einen Strich durch die Rechnung machen will? Ich hatte den Eindruck, dass die Nerven beim Bräutigam blank lagen. Als ich am Freitagabend dann zunächst durch einen Anruf und anschließend im persönlichen Gespräch Entwarnung geben konnte, konnte ich den Stein plumpsen hören, der dem Bräutigam vom Herzen fiel. Wir erfahrenen Ehemänner müssen ihm ja nicht erzählen, dass er zukünftig noch öfters mit den Nerven am Ende sein wird. Das merkt er schon noch früh genug.